Der Anruf vom Chef am gemütlichen Fernsehabend, oder auch die wichtige Email an den ausländischen Geschäftspartner kurz vor dem Einschlafen: häufig sind Arbeitnehmer aus diesen Gründen in ihrer Freizeit für den Chef erreichbar. Diese ständige telefonische Erreichbarkeit beeinträchtigt die Gesundheit und lässt sich in vielen Fällen rechtlich nicht begründen.
Die Krankmeldungen aufgrund psychischer Einschränkungen, häufen sich. Das ergab zumindest eine Analyse der AOK, aus welcher hervorgeht, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen anstieg. Der Analysezeitraum bezieht sich auf die Jahre 1999 bis 2010 und zeigt einen Anstieg um 80%. Das bedeutet, dass fast jeder zehnte Fehltag auf Erkrankungen durch psychische Belastung zurückzuführen ist. Bei der Ursachenforschung kommen Psychologen zu dem Entschluss, dass die telefonische Erreichbarkeit der Arbeitnehmer unter anderem ein Grund für die Vielzahl der Erkrankungen ist. Die permanente telefonische Erreichbarkeit führt in vielen Fällen zu depressiven Verstimmungen, welche über einen längeren Zeitraum zum sogenannten Burn-out führen können. Doch wie sieht die gesundheitsschonende Personalführung eigentlich aus? Auf dem Onlineportal der Bild-Zeitung prangerte Ursula von der Leyen den exzessiven Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln an. Die Möglichkeiten der Nutzung moderner Kommunikationsgeräte wie zum Beispiel Mobiltelefone, fördere das Überschreiten der Grenzen, so die Bundesarbeitsministerin. Im Interview teilte von der Leyen mit, dass aus dem Arbeitsschutzgesetz glasklare Regeln hervorgehen, welche es einzuhalten gilt. Der im Gesetz verankerte Strafenkatalog verlangt von jedem Chef, dass dieser sowohl Körper, als auch Geist der einzelnen Mitarbeiter aktiv zu schützen hat. Ebenfalls aufgeführt sind die Uhrzeiten, zu denen der Arbeitnehmer für den Chef erreichbar sein muss und wann ein Ruheausgleich stattzufinden hat. Der Schutz für Mitarbeiter ist vom Chef nicht nur an Werktagen, sondern auch an Wochenenden anzustreben.
So einfach sich der Schutz in Bezug auf die telefonische Erreichbarkeit in der Theorie auch regeln lässt, so schwer scheint das Prinzip jedoch umzusetzen zu sein. Einige große Firmen haben bereits Schutzmaßnahmen ergriffen und die telefonische Erreichbarkeit eingeschränkt, indem beispielsweise Anrufweiterleitungen auf die Mobiltelefone der Mitarbeiter eine halbe Stunde vor Feierabend abgeschaltet werden. Diese Maßnahme in Bezug auf die telefonische Erreichbarkeit, gilt bis jetzt jedoch nur für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Viele Manager hingegen, müssen weiterhin auch in der Freizeit erreichbar sein.
Und auch wenn im Arbeitsschutzgesetz festgelegt wurde, dass Ruheausgleichszeiten eingehalten werden müssen, so liegt es jedoch grundsätzlich an dem einzelnen Abteilungsleiter, diese Richtlinien auch einzuhalten. Die selbe Verantwortung wird aber auch auf den einzelnen Mitarbeiter übertragen, da dieser laut Professor Volker Rieble dazu angehalten ist, auch einmal „nein“ sagen zu können. Dieses selbstbewusste Auftreten kommt gerade in kleineren Firmen ohne Betriebsrat nicht immer vor, so der Arbeitsrechtler.
Aus einer Studie der IT-Industrie geht hervor, dass neun von zehn Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit auf dem Mobiltelefon erreichbar sind. Die neue Generation der Smartphones trägt ihren Teil dazu bei. Da die meisten Smartphonebesitzer, ihr Gerät fast überall hin mitnehmen, wird die Arbeit praktisch mit herumgetragen. Fast einer Drittel der Arbeitnehmer ist laut der Studie des Branchenverbandes sogar jederzeit erreichbar. Auch nachts. Und ebenfalls ein Drittel der Arbeitnehmer nutzt sogar das private Handy parallel zum Diensthandy für den Job. Unter diesen Umständen lässt die telefonische Erreichbarkeit der Arbeitnehmer nicht einschränken. Ganz im Gegenteil, sie wird sogar gefördert.
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